Kürzlich fragte mich jemand, wie ich denn zu meinen Storys komme. Ob ich denn erst Grundthemen hätte und daraus eine Geschichte entwickeln würde oder umgekehrt. Über die Antwort musste ich doch einen Moment lang nachdenken, und sie lautet wohl: Weder noch.
Meine Storyentwicklung ist figurenzentriert. In meinem Kopf tummeln sich seit Jahren Figuren verschiedenen Alters und Geschlechts, die in verschiedensten Beziehungen zueinander stehen: Freunde und Feinde, Eltern und Kinder, potentielle Pärchen. Manche sind auf der Flucht oder der Suche nach etwas usw. usf. Außerdem sind da auch interessante Locations und aufregende Abenteuer, die die Mädchen und Jungen, Frauen und Männer und verschiedenste Kreaturen erleben könnten: „An diesem Ort würde ich gerne mal eine Kampf- oder Liebesszene spielen lassen.“, „Würde sich dieser Balkon nicht anbieten, um von hier aus den korrupten Politiker abzuhören?“, „Hier sollte ein Riss im Zeit-Raum-Kontinuum stattfinden, durch den die Y-Zecken in unser Universum eindringen.“
Wie alle Ideen in meinem Kopf, sind sie zunächst unausgearbeitet und bruchstückhaft. Es sind halt Ideen. Wie jeder Koch weiß, kann man eine Menge Zutaten in der Speisekammer habe, die, zusammen genommen, noch lange kein Gericht ergeben. Ich muss mich schon hinsetzen und ein Exposé schreiben, also einen Gesamtentwurf der Geschichte mit Anfang, Mittelteil und ausgearbeitetem Ende anfertigen, um aus den ‚fluffigen‘ Charakteren in meinem Hirn klar(er) gezeichnete Protagonisten und Antagonisten zu machen. Etliche der Ideen für Figuren verschmelzen dabei in konkrete neue Figuren, die dadurch viele Facetten bekommen und (hoffentlich) interessanter werden. (In den ersten Band meiner aktuellen Romantrilogie sind mindestens fünf verschiedene Romananfänge und Teilexposés eingeflossen.) Die ausformulierten Protagonisten und ihre Gegenspieler bestimmen dann, wie sich die Story entwickelt bzw. überhaupt entwickeln kann. Das Grundthema der Geschichte – von manchen auch Prämisse genannt – ergibt sich, mehr oder weniger deutlich formuliert, bei der Entwicklung des Exposés und hilft mir, die zu erzählende Geschichte zu verstärken.
Im Schreiben eines Exposés steckt für mich der Schlüssel für die Beurteilung der Tragfähigkeit einer Storyidee. Ein Exposé muss dafür nicht einmal besonders brilliant formuliert sein (auch wenn das natürlich hilft). Ein niedergeschriebenes Exposé gibt insbesondere anderen die Möglichkeit, sich eigene Gedanken zu machen und zu kritisieren und kommentieren. Die innere (Un)Logik kommt dann schnell zum Vorschein. Denn jeder kennt das: Was einem im Traum wunderbar logisch erschien, macht, bei hellem Tageslicht betrachtet, oftmals keinen Sinn. Das Exposé ist für mich letztendlich ein Anker, mit dem ich meine Figuren an der Story und der Prämisse befestigen kann, und umgekehrt. Es ist der Rahmen, in dem ich mit den Bestandteilen spielen kann und sehe, ob sie und wie sie zusammenpassen und wie sie miteinander interagieren.